Anlass als Auftakt zu unserem Forschungsprojekt "versorgt" über administrative Zwangsmassnahmen.     2. November 2015 in Chur

Grossrätin Sandra Locher Benguerel, Ursula Biondi und Dölf Bachmann diskutierten über das aktuelle Thema der „fürsorgerischen Zwangsmassnahmen“. Biondi wurde als junge Frau unschuldig in Hindelbank eingesperrt, Bachmann erlebte eine nicht immer einfache J
Grossrätin Sandra Locher Benguerel, Ursula Biondi und Dölf Bachmann sowie die Gesprächsleiterin Silke Margherita Redolfi (von li). Bild E. Ludwig.

An der sehr gut besuchten Veranstaltung zum Auftakt unseres historischen Projektes „vesorgt“ vom 2. November 2015 im Loesaal in Chur liessen wir zwei Betroffene von sogenannt fürsorgerischen Zwangsmassnahmen zu Wort kommen. Dölf Bachmann, der heute in Igis lebt, wuchs bei Pflegeeltern auf. Als Kind vermisste er die elterliche Liebe, erlebte Schläge, aber auch die Fürsorge einer guten Bauersfamilie. Von seinem Vormund wurde er zur „Nacherziehung“ in ein geschlossenes Heim gesteckt. Ebenfalls fürsorgerisch versorgt wurde Ursula Biondi. Die Behörden sperrten die 17-Jährige zur Erziehung in die Frauenstrafanstalt Hindelbank ein, weil sie unehelich schwanger war. Nach der Geburt verfügten die Behörden die Adoption des Säuglings. Mit Unterstützung einer Sozialarbeiterin und der Mutter konnte Ursula Biondi schliesslich die Kindswegnahme verhindern. Vor einem sichtlich berührten Publikum schilderten die beiden Betroffenen ihre bewegende Lebensgeschichten, die von administrativen Entscheiden von Beamten, Fürsorgerinnen und Vormündern geprägt waren. Am Gespräch mit dabei war auch die SP-Grossrätin Sandra Locher Benguerel. Sie ist die Präsidentin der Begleitgruppe Politik und Öffentlichkeit unseres Forschungsprojektes „versorgt“. Am Beispiel ihres eigenen Vaters, der als „Verdingkind“ zu Verwandten kam, zeigte sie auf, wie wichtig das Sprechen über das Erlebte ist und wie nötig die historische Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Kindswegnahmen, der Heimerziehung oder des Pflegekinderwesens in der Schweiz ist. Die Veranstaltung war der Auftakt zu unserem Forschungsprojekt "vesorgt". Es steht im Zeichen der Geschichte von Pflegekindern, Heimkindern und ledigen Müttern sowie anderen fürsorgerisch verwahrten Personen in Graubünden.

Das Plakat zur Veranstaltung vom 2. November 2016.


Ursula Biondis Schicksal und dasjenige vieler weiterer Frauen, die gegen ihren Willen zwangsverwahrt wurden, findet Ausdruck im Schweizer Spielfilm "Lina" (2016). Mehr